Aufsichtsratsvorsitzender Georg Baum: „Konzeptionsloser kann Regierungshandeln nicht sein“
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Gast-Kommentar beim Fachmagazin kma Online
Deutschlands Krankenhäuser stehen vor dem finanziellen Kollaps: Der jüngste Kabinettbeschluss mit der 1,8 Milliarden Euro-Kürzung verschärft die Lage dramatisch. Georg Baum, Vorsitzender des Aufsichtsrates der DRK Kliniken Berlin und langjähriger Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, kommentiert dies in beim Fachportal kma Online wie folgt:
„Das kann nicht wahr sein. Seit Covid sind die Krankenhäuser in einer massiven Finanzierungskrise, weil in keinem Jahr nach 2021 die massiven inflationsbedingten Kostenanstiege über die gesetzlich regulierten und limitierten Vergütungszuwächse gedeckt wurden. Für die Versicherten der Krankenkassen wurden und werden in Milliardenhöhe erbrachte Krankenhausleistungen seit Jahren nicht voll bezahlt. Auf fast 15 Milliarden Euro belaufen sich die Fehlbeträge bei den Krankenhäusern.
Insolvenzen in nie dagewesenem Ausmaß, Vermögensschmelze bei allen freigemeinnützigen und privaten Trägern und Milliarden Zuschüsse aus kommunalen Haushaltsmitteln bei öffentlichen Trägern, die für deren originäre Aufgaben fehlen, sind die verheerenden Folgen dieser Unterfinanzierung. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die gesetzliche Vorgabe, wonach die Behandlungskosten von den Kassen zu tragen sind.
Zurecht haben CDU und CSU diese fatale Entwicklung in vielen Parlamentsbeiträgen und Gesundheitsministerkonferenz-Beschlüssen aus der Opposition angeprangert. Der von der neuen Koalition und Bundesministerin Nina Warken (CDU) beschlossene Ausgleich für ungedeckte Lasten der Vergangenheit war folgerichtig. Er sieht ab November 2025 zwölf Monate lang einen Aufschlag auf die Krankenhausvergütungen von 3,25 Prozent vor – insgesamt etwa vier Milliarden Euro.
Im Dezember 2026 sinken die Krankenhausvergütungen dann wieder. Zusammen mit der Grundlohnrate für 2026 von 5,17 Prozent hätten die Krankenhäuser für 2026 erstmals wieder die Perspektive, die Verluste begrenzen zu können.
Mit der Entscheidung der Koalition, die für die Vergütungsanpassung maßgebliche Grundlohnrate auf die Höhe des Orientierungswertes und damit auf 2,98 Prozent zu kappen, wird den Krankenhäusern wieder jegliche finanzielle Perspektive genommen. Schlimmer noch, weil diese Kürzung eine dauerhafte Vergütungsabsenkung ist, werden die Krankenhäuser in eine neue jährlich um fast zwei Milliarden Euro wachsende Kosten-Erlös-Schere getrieben. Das Resultat ist bitter.
Für die mit dem Haushaltsbegleitgesetz im September einmalig aus dem Sondervermögen bereitgestellten rund vier Milliarden Euro werden die Krankenhäuser mit dem Oktober-Sparbeschluss binnen fünf Jahren mit zehn Milliarden Euro mehr als doppelt bestraft. Konzeptionsloser kann Regierungshandeln nicht sein.
Für die Krankenhäuser ist das in der derzeit schwierigsten finanziellen Phase, ein „GAU“ der besonderen Art – die ‚Größte Anzunehmende Unverständlichkeit‘.
Für die Krankenhäuser ist das in der derzeit schwierigsten finanziellen Phase, in der Phase höchster Anpassungslasten und Unsicherheiten durch die Krankenhausreform und fortgesetzter Bürokratielasten, ein „GAU“ der besonderen Art – die ‚Größte Anzunehmende Unverständlichkeit‘, die von einer Bundesregierung hätte erwartet werden können. Viele sehen es als Unverschämtheit.
Zurecht haben sich Kommunal- und Landespolitiker aus den Koalitionsparteien mit deutlicher Kritik zu Wort gemeldet. Die Wahlkreisabgeordneten sind nicht verpflichtet, die „Formulierungshilfe“ aus dem Kanzleramt Eins-zu-eins zu übernehmen. Sie sollten über Lastenminderungen für die Krankenhäuser nachdenken. Möglichkeiten dafür gibt es.
Für das Zusammenspiel von Grundlohnrate, die insbesondere die Lohnkostensteigerungen misst, die die Krankenhäuser bereits zahlen, und dem vom statistischen Bundesamt unter zweifelhaften Methoden ermittelten Orientierungswert, galt seit jeher, dass in jedem Falle die Grundlohnrate heranzuziehen ist. Nur wenn der Orientierungswert höher lag, wurde auf die Grundlohnrate ein Drittel der Differenz aufgeschlagen. Niemals aber stand zur Diskussion, die Krankenhäuser unter die Grundlohnrate zu drücken.
Ministerin Warken holt sich den unrühmlichen Ruf, den Krankenhäusern als einzigem großen Leistungsbereich die Grundlohnrate für die Vergütungsanpassung zu verweigern. Das haben die Krankenhäuser nicht verdient. Weitere Insolvenzen, Schließungen von Leistungsbereichen und Personalfreisetzungen werden die Folgen sein. Keine gute Perspektive für die medizinische Versorgung der Bevölkerung.“