Deutscher Krebspreis 2023

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Weniger Chemotherapien durch präzisere Risikoeinschätzung – Wissenschaftliche Studien läuten eine neue Ära der individualisierten Therapie bei Brustkrebs ein.

Professor Dr. Nadia Harbeck (München) und Professor Dr. Ulrike Nitz (Mönchengladbach) wurde am 02.06.2023, der Deutsche Krebspreis in der Kategorie Klinische Krebsforschung verliehen. Ihre Forschung „hat die Therapierealität für Frauen mit frühem Brustkrebs weltweit verändert“, begründet die Jury ihre Entscheidung. Ausgezeichnet wurden die beiden Medizinerinnen für die zwei bahnbrechenden Studien PlanB und ADAPT. Sie leiteten diese Studien im Rahmen der Westdeutschen Studiengruppe (WSG).

Das regionale Brustkrebszentrum bei den DRK Kliniken Berlin Köpenick, ist unter der Leitung von Chefärztin Dr. med. Anke Kleine-Tebbe mit Ihrem engagierten Team an den Studien der WSG beteiligt. Durch diese Kooperation können auch Frauen aus dem Einzugsgebiet von Berlin von dieser wichtigen Forschung profitieren.

Eine von acht Frauen erkrankt in ihrem Leben an Brustkrebs[1]. Wahrscheinlich ist jede Frau in ihrem Leben selbst oder als Angehörige mit dieser Krankheit konfrontiert. Die Diagnose ist in der Regel ein Schock für die Betroffenen. Die Unsicherheit, welche Therapie die richtige ist, und die Aussicht auf eine mögliche Chemotherapie lösen bei vielen Patientinnen Ängste aus. Bei etwa 46.000 Frauen in Deutschland wird pro Jahr ein hormonsensibler (HER2-) Brustkrebs mit bis zu drei befallenen Lymphknoten diagnostiziert[2]. Dank der Arbeit der beiden deutschen Wissenschaftlerinnen sind Frauen mit hormonsensiblem Brustkrebs sowie ihre Ärzte jetzt in der Lage, die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie mit deutlich mehr Sicherheit und Präzision zu treffen als bislang möglich. Die Deutsche Krebsgesellschaft weist in der Begründung der Preisvergabe darauf hin, dass die Studien vielen Patientinnen eine Entscheidung für eine chemotherapiefreie Therapie mit geringer Belastung ermöglichen werden, ohne dass die Heilungschancen reduziert würden.

Eine Besonderheit der von der Deutschen Krebsgesellschaft ausgezeichneten Studien ist, dass die Wissenschaftlerinnen den genetischen Fingerabdruck des Tumors einbezogen haben (PlanB). Mit Hilfe eines Multigentests wird das sogenannte Recurrence Score® Ergebnis ermittelt. Dieser Wert macht eine Vorhersage darüber möglich, ob eine Chemotherapie erforderlich ist. In der Nachfolgestudie ADAPT wurde zusätzlich vor der Operation getestet, wieviel Erfolg von der Antihormontherapie zu erwarten ist. Eine weitere im klinischen Alltag wichtige Botschaft ist, dass bei Einsatz von Multigentests nicht nur weniger, sondern auch anderen Frauen eine Chemotherapie empfohlen wird als mithilfe der bislang konventionellen Diagnosekriterien[3]. So kann mithilfe des Tests auch potenziell lebensgefährliche Untertherapie vermieden werden. Das heißt, es verbessert sich die Behandlung einer Gruppe von Frauen, deren Risiko ohne den Multigentest unterschätzt wird, die aber von einer Chemotherapie profitieren.

Die wissenschaftlichen Ergebnisse der WSG-Studien haben inzwischen Eingang in die deutschen und die europäischen Behandlungsempfehlungen gefunden. Wir sind sehr stolz darauf, als zertifiziertes Brustzentrum der DRK Kliniken Berlin Köpenick an der Durchführung der Studien beteiligt gewesen zu sein. Diese wissenschaftliche Arbeit hat nachgewiesen, dass vielen Patientinnen eine Entscheidung für eine chemotherapiefreie Therapie mit geringer Belastung ermöglicht werden kann.

 

[1] Robert Koch-Institut: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Brustkrebs/brustkrebs_node.html, Stand: 06.06.2023.

[2] Ortmann O. et al., Journal of Cancer Research and Clinical Oncology, 2023

[3] Nitz U et al. J Clin Oncol 2022